"Gewalt geschieht in Deutschland in jeder einzelnen Minute des Tages, nicht nur während einer Pandemie," ergänzt Jörg Zierke, Bundesvorsitzender und ehemaliger Präsident des Bundeskriminalamtes. "Wir müssen aber davon ausgehen, dass es jetzt im Lockdown noch einmal zu deutlich mehr Taten kommt. Dass diese Phase in die dunkle Jahreszeit fällt, in der es ohnehin mehr Vorfälle gibt, verschlimmert die Lage für die Opfer zusätzlich". Klaus Kozuch kann das auch für den Landkreis Cham bestätigen.
In den letzten 4 Jahren stiegen die Betreuungsfälle bei Frauen und Kinder nach häuslicher Gewalt beim WEISSEN RING im Lkrs. Cham kontinuierlich an. Waren es 2017 'nur' 18 Fälle, 2018 immerhin 25 Fälle, wo Opfer Hilfe beim WEISSEN RING suchten, so stiegen diese Zahlen in 2019 auf 32 Fälle und in den ersten neun Monaten im Jahre 2020 schon auf 25. Erfahrungsgemäß sind die Monate Oktober, November und Dezember jedoch die ereignisreichsten in diesem Bereich, so dass über 40 Betreuungsfälle nur bei häuslicher Gewalt zu befürchten sind, so Kozuch. Nach seinen Erkenntnissen dürften bei der Polizei im Landkreis die Einsätze bei häuslicher Gewalt bis Jahresende zwischen 150 bis fast 200 erreichen. Deutschlandweit erfasst die Polizei jedes Jahr rund 140.000 Fälle.
Hinter diesen nackten Zahlen spielen sich familiäre Tragödien ab, die durch die Brutalität auch keine Rücksicht auf Kinder und Partner nehmen. Sachbeschädigungen am Hausstand oder Fahrzeugen, Körperverletzungen an Familienmitglieder, ja auch machen Täter vor Vergewaltigung, sexuellem Missbrauch und sexueller Nötigung nicht halt. Täter prügeln die Partnerin, nicht selten mit kleinen Kindern auf die Straße, wo dann für diese dringend eine Bleibe gesucht werden muss. Sie verschwenden dabei keinen Gedanken an die psychischen Schäden vor allem der Kinder. Eine Unterbringung in einem Frauenhaus ist für betroffenen Personen aus dem Landkreis Cham kaum
umzusetzen, da sich das nächste Frauenhaus in Regensburg befindet, dort meistens bei Anfrage keine Kapazitäten frei sind und die Geschädigten hier in der Nähe ihre Arbeitsstelle, Schule und andere sozialen Kontakte haben und nicht sofort abbrechen können.
Dem WEISSEN RING stehen hier kirchliche Einrichtungen oder Pensionen zur Seite, um die leidenden Menschen vor weiteren Gefahren zu schützen und sie zunächst in Ruhe kommen zu lassen, um weitere Schritte, heraus aus dem Elend zu überlegen. In dieser schwierigen Zeit stehen den Opfern die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu Seite und nehmen sich ihrer durch persönliche Gespräche an, begleiten sie zu behördlichen Einrichtungen, wie Jobcenter, Beratungsstellen oder soziale Einrichtungen.
Ihnen kann finanzielle Hilfe bei der Erstberatung bei einem Rechtsanwalt oder einer psychotraumatologischen Einrichtung zur Verfügung gestellt werden. Eine persönliche Begleitung zu Vernehmungen bei Polizei und Gericht wird ebenso geleistet wie auch Hilfe bei Wohnungsauflösungen und Antragstellungen. Bei vorliegender finanzieller Notlage kann auch da schnell und unbürokratisch geholfen werden.
"Es hört einfach nicht auf", so Kozuch weiter. "Durch alle sozialen Schichten ziehen sich diese Brutalitäten, wieder und immer wieder." Aus diesem Grund stellt der WEISSE RING, Deutschlands größte Hilfsorganisation für Kriminalitätsopfer, das Thema in den Mittelpunkt einer bundesweiten Kampagne. Unter dem Motto
Schweigen macht schutzlos, mach` Dich laut
erheben prominente Frauen und Männer ihre Stimme gegen häusliche Gewalt. Im Fernsehen, auf Plakatwänden und in den sozialen Medien im Internet fordern sie Betroffene und Zeugen auf, sich unter Telefon 116 006 Hilfe zu holen.
Im Landkreis Cham ist dem WEISSEN RING kein Fall bekannt, wo Opfer bei häuslicher Gewalt zu Tode gekommen sind. Jedoch jede dritte getötete Frau in Deutschland wird von ihrem eigenen Partner umgebracht, so eine weitere nackte Zahl in der Statistik.
Tel: 0151/55164641, Leiter: Klaus Kozuch