Es passiert ohne Vorwarnung: S. [Der Name ist der Außenstelle bekannt.] und seine Freundin, beide aus dem Landkreis Cham, beobachten an einer Regensburger Tankstelle, wie sich zwei Männer wütend anschreien. Dabei wird einer der beiden plötzlich handgreiflich und schubst den anderen. Er ist sichtlich angetrunken. S. bemerkt, dass der angetrunkene Täter auch ein Messer bei sich führt und beauftragt seine Freundin, die Polizei zu verständigen. Er selbst begibt sich zu den beiden Streitenden und versucht, beschwichtigend auf den angetrunkenen Mann einzureden. Immer, wenn sich der Angetrunkene seinem Opfer nähert, drängt S. ihn wieder zurück und redet auf ihn ein. So kann er eine Eskalation verhindern, bis kurze Zeit später die Polizei eintrifft und den angetrunkenen jungen Mann in Gewahrsam nimmt. Dem Opfer ist kein Schaden entstanden, er kam mit dem Schrecken davon.
Als S. gefragt wurde, warum er eingegriffen hat, obwohl der Mann sogar ein Messer hatte, meinte er nur, in diesem Moment habe er darüber gar nicht nachgedacht: Erst danach sei ihm die Gefährlichkeit seiner Lage bewusst geworden. Er sagte aber auch, er würde das jederzeit wieder machen.
Viele würden sich in solch einem Moment die Frage stellen, ob sie eingreifen sollten oder besser nicht. Denn nicht jeder ist psychisch oder körperlich in der Lage, eine riskante Situation zu meistern, verspürt vielleicht Angst, befürchtet Folgen oder möchte einfach nur schnell weg. Im Nachhinein könnte man spekulieren: Was wäre geschehen, wenn S. keine Zivilcourage gezeigt hätte?
Haben Sie schon einmal beobachtet, wie eine andere Person bedrängt oder gar bedroht wurde? Oder waren Sie bereits selbst auf das couragierte Handeln anderer angewiesen?
Aus der einen oder anderen Position heraus wurden Sie mit Zivilcourage konfrontiert.
Nicht nur im öffentlichen Raum, sondern auch im privaten Umfeld sowie im Internet kommt es zu bedrohlichen Situationen, in denen man helfen kann. Hinsehen, hinhören, nicht weggehen oder Hilfe holen sind Handlungen, die man unter Zivilcourage versteht. Der Begriff "Zivilcourage" selbst kommt im Gesetz nicht vor.
Bei der rechtlichen Beurteilung fallen die Begriffe Notwehr und Nothilfe. Sowohl die Notwehr als auch die Nothilfe sind in § 32 StGB (Strafgesetzbuch) geregelt. Während bei der Notwehr ein Angriff auf den in Notwehr Handelnden abgewehrt werden soll, bedeutet die Nothilfe die Verteidigung zu Gunsten einer dritten Person.
Niemand muss einen gegen sich verübten oder drohenden Angriff einfach so hinnehmen und erdulden, sondern darf sich gegen einen solchen zur Wehr setzen. Die Notwehr- bzw. Nothilfehandlung selbst ist gerechtfertigt und führt damit zu keiner Verurteilung. Sowohl Opfer als auch Helfer dürfen sich jedes Abwehrmittels bedienen, um die Gefahr abzuwenden, sofern dieses im konkreten Fall verhältnismäßig ist.
Generell ist jeder verpflichtet, in dem Rahmen zu helfen, in dem es jemandem möglich ist. Den Notruf absetzen, Hilfe holen geht auch aus der Distanz. Andernfalls macht man sich unter Umständen der unterlassenen Hilfeleistung strafbar. In den meisten Fällen können wir uns auf unsere Lebenserfahrung und selbst auf unser Bauchgefühl verlassen, um zu entscheiden, ob eine Situation von Gewalt geprägt und damit auch für den Helfer gefährlich ist.
Im Augenblick eines beobachteten Tatherganges denkt wohl niemand an Begrifflichkeiten, sondern entscheidet intuitiv, ob und wie geholfen werden kann. So hatte es auch S. getan. Als Zeuge oder Zeugin kann jeder auch mit kleinen Taten und allein mit seinem umsichtigen Verhalten Großes bewirken. S. hat den Mund aufgemacht und die Polizei rufen lassen. Man muss bedenken, dass couragierte Hinweise aus der Bevölkerung wichtig für die Kriminalitätsbekämpfung der Polizei sind.
Wer sich helfend Unrecht und Diskriminierung entgegenstellt, sollte sich selbst nie in Gefahr bringen. Wenn man sich sicher fühlt, kann man sich mit Abstand der betreffenden Person nähern und jemanden zur Mithilfe auffordern.
Mit "Fünf Regeln der Zivilcourage" möchte der WEISSE RING Bürgerinnen und Bürgern eine kleine Hilfestellung an die Hand geben:
Der WEISSE RING hält auch Tipps für Personen vor, die selbst Hilfe benötigen:
Die ehrenamtlichen Mitarbeiter der Außenstelle Cham des WEISSEN RINGS sind sicher: Zivilcourage kann jede und jeder von uns im Rahmen der eigenen Möglichkeiten leisten!
Bei Fragen zu dem Thema "Zivilcourage" wenden Sie sich gerne an die ehrenamtlichen Mitarbeiter beim WEISSEN RING in der Außenstelle Cham, erreichbar unter Tel. 0151 55164641 und im Internet unter https://cham-kreis-bayern-nord.weisser-ring.de/.